Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes (BGH – 1 StR 586/12) hat in seinem Urteil vom 09.04.2013 entschieden, dass:

1. der Täter einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Absatz 1 Nr. 2 AO nur derjenige sein kann, der selbst zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen besonders verpflichtet ist. Dabei können sich Offenbarungspflichten sowohl aus den gesetzlich besonders festgelegten steuerlichen Erklärungspflichten wie auch aus allgemeinen Garantenpflichten ergeben, die allerdings eine untergeordnete Rolle spielen. Der Senat erkennt zwar ausdrücklich an, dass das erstinstanzliche Landgericht mit sorgfältiger Begründung gegen die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Stellung bezogen und damit eine Änderung der Rechtsprechung angeregt hat. Gleichwohl hält er an seiner Rechtsprechung fest, dass Täter einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Absatz 1 Nr. 2 AO nur derjenige sein kann, der selbst zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen besonders verpflichtet ist. Nach der Rechtsauffassung des Senates lässt der Wortlaut dieser Strafnorm eine andere Auslegung nicht zu (vgl. Art 103 Abs. 2 GG). Nach seiner Auffassung bezieht sich das Merkmal „pflichtwidrig“ allein auf das Verhalten des Täters (bei dem es sich indes nicht um den Steuerpflichtigen handeln muss), nicht allgemein auf dasjenige irgendeines Tatbeteiligten. Damit kommt eine Zurechnung fremder Pflichtverletzungen auch dann nicht in Betracht, wenn sonst nach allgemeinen Grundsätzen Mittäterschaft vorliegen würde.

2. eine eigene Rechtspflicht zur Aufklärung über steuerlich erhebliche Tatsachen gemäß § 35 AO auch den Verfügungsberechtigten trifft. Verfügungsberechtigter im Sinne dieser Vorschrift kann auch ein steuernder Hintermann sein, der ihm gegenüber weisungsabhängige „Strohleute“ im Rechtsverkehr nach außen im eigenen Namen auftreten lässt. Das Auftreten muss auch nicht in einer Disposition über fremdes Vermögen bestehen. Es reicht aus, wenn der Verfügungsberechtigte sich nach außen so geriert, als könne er über fremdes Vermögen verfügen. Nimmt danach etwa ein faktischer Geschäftsführer oder „faktischer Leiter“ eines Unternehmens Geschäftsführungsaufgaben tatsächlich wahr, so reicht es aus, wenn er lediglich gegenüber einer „begrenzten Öffentlichkeit“, etwa im Rahmen von Gesellschafterversammlungen, zu erkennen gibt, dass er als solcher über das Vermögen verfügen kann, das Auftreten gegenüber der „allgemeinen Öffentlichkeit“ aber weisungsabhängigen Personen überlässt