Fall: A war seit dem Jahr 1995 als Fahrer für das Unternehmen der Angeklagten B und C tätig. Auf eigenen Wunsch des A wurde dieser als selbständiger Subunternehmer beschäftigt, nachdem er im März 1995 ein Gewerbe zum „Transport von Gütern mit Lkw für verschiedene Firmen als selbständiger Fahrer (Subunternehmer)“ angemeldet hatte. A verfügte jedoch über keine eigenen Fahrzeuge, sondern nutze vielmehr die LkW des Unternehmens, um die jeweiligen Aufträge auszuführen. Auch die Versicherung der Fahrzeuge und der Fracht erfolgte über das Unternehmen der Angeklagten, so dass A im Ergebnis keinerlei unternehmerisches Risiko trug.
Eine Strafbarkeit der Angeklagten B und C wegen Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt gemäß § 266 a Absatz 1 Strafgesetzbuch (StGB) setzt zunächst voraus, dass A ein abhängig Beschäftigter ist. Die maßgeblichen Kriterien für die Beurteilung des Status‘ des A ergeben sich dabei aus dem Vierten Sozialgesetzbuch (SGB IV).
Diesbezüglich führt das Hessische Landessozialgericht in seiner Entscheidung aus (Hessisches LSG, Beschluss vom 26.03.2009, L 1 KR 331/08 B ER):
„Nach der allgemeinen Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung sowie eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers, vgl. § 7 Absatz 1 Satz 2 SGB IV.
Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung, welches sich nach den tatsächlichen Verhältnissen bestimmt.“
Nach den zuvor genannten Kriterien liegt in unserem Fall eine abhängige Beschäftigung des A vor.
Frage: War den Angeklagten B und C die abhängige Beschäftigung des A subjektiv vorwerfbar, haben diese also auch vorsätzlich im Sinne § 266 a StGB gehandelt ?
Antwort: Hinsichtlich der Frage des Vorsatzes – also das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung des § 266 a StGB – hat das Amtsgericht Schwetzingen am 06.04.2010 ein bemerkenswertes Urteil gefällt (AG Schwetzingen, 1 Cs 610 Js 28883/08 – AK 551/09).
Danach waren die Angeklagten B und C wegen Irrtums gemäß § 16 Absatz 1 StGB freizusprechen, weil bei diesen der nicht zu widerlegende Irrtum vorliegt, der A sei tatsächlich selbstständig tätig gewesen.
Soweit nämlich keine „klassische Scheinselbstständigkeits-konstruktion“ vorliegt, weil die Angeklagten ihren Lohnaufwand durch die Beschäftigung des Scheinselbständigen A nicht senken, sie auch ihr Unternehmerrisiko nicht auf den Beschäftigten A abwälzen sowie der Scheinselbständige A nachweislich auf eigenen Wunsch nach außen nicht als Arbeitnehmer behandelt wird, liegt ein Tatbestandsirrtum der Angeklagten B und C gemäß § 16 StGB nahe.